Wir trauern um Ingvar Ambjørnsen

Ingvar Ambjørnsen © Tine Poppe
Wir trauern um Ingvar Ambjørnsen, der am frühen Abend des 19. Juli gestorben ist. Er wurde 69 Jahre alt.
»Ingvar Ambjørnsen ist in Norwegen so bekannt wie Henrik Ibsen«, schrieb einmal DER SPIEGEL, und weiter: »Für viele der gesellschaftlich Randständigen in Norwegen ist Ambjørnsen der einzige lebende Schriftsteller, von dem sie je eine Zeile gelesen haben. Denn über sie hat er geschrieben.«
Seit 1985 lebte er in Hamburg, gemeinsam mit seiner Frau, der Übersetzerin Gabriele Haefs, die auch seine Bücher ins Deutsche übertrug. Seit Jahren litt er an der Lungenkrankheit COPD, die ihn zunehmend schwächte. Erst in diesem Jahr kehrte er nach Norwegen zurück, wo er nun viel zu früh gestorben ist.
Am 31. Juli erscheint mit »Sorgen i St. Peter Ording« sein neues Buch in Norwegen, und wir sind froh, vor einigen Wochen entschieden zu haben, es im Frühjahr 2026 in unser Programm zu nehmen.
Geboren 1956 in Tønsberg, hatte Ingvar Ambjørnsen nach einer Setzerlehre als Gärtner und als Pfleger für psychisch Kranke gearbeitet und sich nebenbei rasch als einer der wichtigsten Autoren Norwegens etabliert. In der Edition Nautilus war er einer der ersten Autoren: 1988 erschien Weiße Nigger (Neuausgabe 2006), 1989 Stalins Augen (Neuausgabe 2003), 1990 »San Sebastian Blues«, 1991 »Die mechanische Frau«, 1992 Der Mann im Schrank, 1993 »Das goldene Vakuum«, 1995 »Der letzte Deal« – eine ungewöhnlich rasche Publikationsfolge von Krimis und sozialkritischen Romanen.
»Es war so schön, damals bei Nautilus zu landen, mit meinen frühen Büchern«, schrieb Ingvar Ambjørnsen uns noch im letzten Dezember, »und es gab lustige Abende mit Lutz und Hanna und viel Wein. Aber dann war Schluss, weil den beiden ›Elling‹ nicht gefiel, und ich musste weiterwandern.«
Tatsächlich erschien der große Erfolg bei Piper; die Verfilmung von »Elling« war 2002 für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert. Doch der Kontakt zwischen Nautilus und Ingvar Ambjørnsen und Gabriele Haefs blieb bestehen, und als 2012 mit Den Oridongo hinauf wieder ein neuer Roman bei uns erschien, war das der Beginn einer neuen guten Zusammenarbeit: 2014 folgte Die Nacht träumt vom Tag, 2016 Aus dem Feuer und 2019 Echo eines Freundes.
»Das ist wie bei Ulf und Berit [den Hauptfiguren aus ›Oridongo‹], ich hoffe auf Ruhe und einen Ort zum Wohlfühlen, Verlagsleute, die in der Nähe sind, mit denen ich mal einen trinken gehen kann und so. Das ist wie eine neue Romanze mit einer alten Liebe, nachdem man zwischendurch eine Menge konfuse Affären gehabt hat«, so sagte er in einem Interview zum Erscheinen des neuen Buchs.
Im selben Jahr wurde Ingvar Ambjørnsen der Willy-Brandt-Preis 2012 verliehen. Dieser Preis wird jährlich an eine Person oder Institution vergeben, die durch ihre Arbeit und ihr Engagement zur Verbesserung der deutsch-norwegischen Beziehungen beigetragen hat.
2023 wurde Ambjørnsen mit dem Brageprisen ausgezeichnet, einem der bedeutendsten Literaturpreise in Norwegen.
In der nächsten Woche, am 31. Juli, erscheinen in Norwegen seine Erzählungen »Sorgen i St. Peter Ording«; und er freute sich, dass wir planen, diese zu seinem 70. Geburtstag im Mai nächsten Jahres auf Deutsch zu publizieren. Nun wird das Buch posthum bei uns erscheinen, ergänzt um einige weitere Erzählungen.
Wir sind sehr traurig und mit all unseren Gedanken bei Gabriele Haefs.