Pinot Gallizio, Apotheker, Chemiker, Harz- und Bonbonfabrikant aus Alba, Italien, kam spät, aber mit Erfolg zur Kunst. Seine »Malerei am laufenden Meter« war ein früher Beitrag zur Programmkunst der 1960er Jahre, die sich die kollektive Kunst mit industriellen Mitteln auf die Fahnen geschrieben hatte. Selima Niggl, Kunsthistorikerin, hat diesen Künstler und seine Arbeit porträtiert.
Pinot Gallizio (1902-1964) wurde für seine pittura industriale bekannt: Malerei auf Leinwand- und Stoffrollen, die vom Meter verkauft wurde. Mit seiner unorthodoxen und experimentierfreudigen Kunst fand er sich an einem Knotenpunkt wichtiger internationaler Kunsttendenzen wieder: Mit dem Dänen Asger Jorn gründete er 1955 das laboratorio sperimentale, ein Forum für experimentelle Kunst; beide sind 1957 Gründungsmitglieder der Situationistischen Internationale.
1959 veranstaltete die Galerie van de Loo eine als Happening inszenierte Ausstellung von Gallizios Werken. Diese Ausstellung war ein Meilenstein für die Durchsetzung der internationalen modernen Kunst in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.
Zwischen Paris und New York war München für kurze Zeit ein Zentrum der künstlerischen Avantgarde. Das anhaltende Interesse an den Situationisten, von dem unter anderem die Ausstellungen in Utrecht seit Dezember 2006 und in Basel im April 2007 zeugen, wird auch Pinot Gallizio endlich einem größeren Publikum bekannt machen.