Welt unter

Roman

Originalveröffentlichung
Gebunden, 128 Seiten

ISBN 978-3-89401-387-5

15,80 

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Wie reagiert jemand, der sich eines Morgens allein, als letzter Mensch in einer Großstadt wiederfindet? Yorck Kronenberg entwickelt aus einem schon klassischen Motiv eine Fülle von überraschenden Situationen und bizarren Szenerien; sein existenzialistischer Held taumelt durch die apokalyptischen Kulissen einer schweigenden Welt …

Eines Morgens verläßt der Held seine Wohnung, um zur Arbeit zu gehen – und die Stadt, in der er sein bisheriges Leben verbracht hat, ist menschenleer. Alles Leben ist aus Häusern und Straßen zurückgewichen: Er ist allein.
Was das Leben des Helden bisher strukturierte, zerfällt; ohne soziale Bindungen, ohne Beruf, ohne die Möglichkeit zur Kommunikation irrt der Protagonist durch eine fremd gewordene Stadt. Kronenberg beschreibt, welchen Triebkräften und Impulsen ein vereinsamter Mensch ausgesetzt ist, welche Ideale er allein aus sich selbst heraus zu schaffen versucht.
Zunehmend von Figuren umstellt, die seine Phantasie ihm erschaffen hat, trifft der Held schließlich tatsächlich auf ein Gegenüber, eine Frau.

Buchinfos

Originalveröffentlichung Gebunden, 128 Seiten

Autor

Yorck Kronenberg

Yorck Kronenberg

Yorck Kronenberg, geboren 1973 in Reutlingen. Studierte Klavier und Komposition in Lübeck. 1998 Gewinner des Internationalen Klavierwettbewerbs »Johann Sebastian Bach« in Saarbrücken. Eine CD seiner Interpretation der Goldberg-Variationen von Bach ist bei Ars Musici erschienen. Yorck Kronenberg lebt in Berlin.

Leseprobe

»Antje«, rief ich lachend, »komm raus, die Welt ist untergegangen!«

In der Nachbarschaft befindet sich ein kleiner Buchladen, auch hier schlug ich zunächst mit der Hand gegen die Tür, doch wurde mir nicht geöffnet. Hatte sich der Inhaber des Ladens in seinem Geschäft verschanzt? Waren die Einwohner der Stadt in gemeinsamer Bewegung vor einer Bedrohung von Straßen und Plätzen in Häuser und Keller zurückgewichen? Mit einem Fußtritt zertrümmerte ich die große Glasscheibe des Schaufensters, schlug dann mit dem Ellbogen übriggebliebene Kanten und Splitter aus meinem Weg und stieg über die Auslage ins Innere des Raumes. Nah der Tür sah ich einen Ständer mit Zeitungen, ich ging darauf zu, drehte ihn im Kreis und überflog die Schlagzeilen der Titelseiten. Der Kanzler hatte sich vor dem Parlament zur Frage der Zuwanderung geäußert, ein Schauspieler war gestorben, Aktienkurse zeigten sich erholt. Ich zog eine Zeitung hervor und schlug sie auf, blätterte hastig darin herum, die Buchstaben flirrten mir vor Augen, meine Hände zitterten, doch konnte ich keine Meldung entdecken, die mir die Katastrophe vorherzusagen schien. Warum aber hatten sich alle Menschen vor mir versteckt? – In plötzlichem Zorn warf ich die Zeitungen zu Boden, trat mit Füßen danach, hielt mir den Kopf, drehte mich im Kreis. – »Hallo!« rief ich, »ist denn hier niemand? Hier -, verdammt, ich -, ich will ein Buch kaufen!« Da mir niemand antwortete, ging ich zur Kasse hinüber, hob sie von der Tischplatte hoch und warf sie mit Wucht gegen ein Bücherregal. Der Schlag mußte bis in den Keller und nach oben bis unters Dach zu hören gewesen sein, das Gerät lag zerbeult am Boden, einige Teile waren gesplittert, »ich nehme jetzt alles Geld, ich lasse nichts hier, hört ihr mich, ihr Feiglinge!« In Raserei trat ich wieder und wieder mit dem Fuß nach der Kasse, hob sie erneut auf und warf sie noch einmal, womöglich noch heftiger als zuvor, gegen die Bücherwand. Jetzt war die Kasse ganz zertrümmert, Bücher lagen am Boden und Münzen und Scheine, ich hob eine Handvoll Geld auf und schleuderte es durch das zerborstene Fenster auf die Straße. »Jetzt liegt es draußen, euer Geld, die Schulkinder prügeln sich schon darum«, und griff immer noch mehr Scheine und mehr Münzen und mehr Schecks vom Boden auf und warf alles ohne Besinnung hinaus. »Na, hört ihr jetzt, wie es klimpert, ihr Feiglinge! Ich lasse nichts übrig, die Bettler freuen sich darüber, sie lachen über euch, hoho, sie lachen, und ich lache auch, ja, nehmt nur, ihr Bettler, das Geld gehört allen, das Privateigentum ist abgeschafft, keine Angst«, rief ich, »keine Angst!, die Polizei wird euch nicht bestrafen, ich übernehme für alles die Verantwortung«, und bückte mich immer wieder hinab, um noch einmal und noch einmal Geld zusammenzuraffen und in hohem Bogen fortzuschmeißen. Schließlich hob ich die ganze Kasse hoch, stemmte sie auf meine Schulter und stieß dann das ganze zerbeulte Ding durch das Fensterloch ins Freie. »Hoho!« rief ich, »das habt ihr nun von eurer Feigheit, ihr habt es ja gar nicht anders verdient, Schwächlinge!«, und spürte in diesem Moment so heftig den Drang zu Weinen in mir aufsteigen, daß es mich schüttelte. Halb noch lachend, stürzten mir doch bereits Tränen aus den Augen, ich sank hinab, hockte am Boden und preßte die Hände gegen mein Gesicht in meinem Taumel. Wie allein ich bin, wie verlassen, warum antwortet ihr mir nicht?