Die Windsbraut

Bizarre Geschichten

Mit einem Vorwort von André Breton

Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort von Heribert Becker

Kleine Bücherei für Hand und Kopf – Band 61

Klappenbroschur, 256 Seiten
durchgehend vierfarbig, mit zahlreichen Abbildungen

Erschienen 2009

978-3-89401-602-9

18,00 

Lieferzeit: Büchersendung (ca. 5 Werktage per Post)

100 Jahre Surrealismus in 2024: Leonora Carringtons Erzählungen endlich wieder lieferbar

Leonora Carrington, Malerin und Dichterin, war nicht nur die wilde Muse der Surrealisten. Wohl war sie mit Max Ernst liiert, und Breton erzählte bewundernd, wie sie einst in einem vornehmen Pariser Restaurant ihre Schuhe auszog und ihre Füße mit Senf bestrich. Doch Carrington war eine selbstbewusste surrealistische Künstlerin. Ihre Malerei stellte sie in Amsterdam und Paris aus und später in Mexiko.

In den Bizarren Geschichten aus den 1930er bis 1980er Jahren – kein anderes Buch der Künstlerin versammelt Werke aus einer solchen Zeitspanne – erzählt Leonora Carrington traumhafte, eindringliche, wundersame Begebenheiten.
Ob sie schildert, wie ein junges Mädchen eine Hyäne statt seiner selbst zum verhassten Debütantinnenball schickt, ob sie eine Begegnung mit einem seltsamen Jäger im englischen Wald beschreibt oder von dressierten Ratten erzählt, die in Kriegszeiten Menschen in Lazaretten operieren – Carringtons Prosa ist wundersam, träumerisch und von starker Ausdruckskraft.

Ausgewählte Gemälde der Künstlerin illustrieren das Buch.

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Inhaltsverzeichnis »Die Windsbraut«

Buchinfos

Klappenbroschur, 256 Seiten, durchgehend vierfarbig, mit zahlreichen Abbildungen

Autorin und Übersetzer

Leonora Carrington

Leonora Carrington

Leonora Carrington (1917–2011), geboren in England, lernte in den dreißiger Jahren in Paris Max Ernst kennen, mit dem sie bis 1940 zusammenlebte. Dort auch Kontakt mit André Breton und Joan Miró. 1940 Flucht in die USA und 1942 nach Mexiko, wo sie seitdem lebte. Ihre Malerei stellte sie zunächst 1938 auf Surrealismus-Ausstellungen in Paris und Amsterdam, später in zahlreichen Ländern aus. Heute erzielen ihre Werke bei Auktionen Erlöse von über einer halben Million Euro. Der Titel ihres letzten, posthum erschienenen Buchs, »Die Milch der Träume«, war das Motto der Biennale von Venedig 2022. Leonora Carrington starb 2011 in Mexico City.

Heribert Becker, geboren 1942 in Leverkusen, lebt als freier Publizist und Übersetzer in Köln. Er stand zu vielen Surrealisten in Frankreich und andernorts in persönlichem Kontakt, hat mehrere Ausstellungen organisiert und ist Herausgeber und Übersetzer zahlreicher surrealistischer Werke.

 

 

Pressestimmen

 »Ein Juwel der Einzigartigkeit.« Florian Felix Weyh, Deutschlandfunk Büchermarkt
»… eine Lektüre als bildgewaltige Geschichtensammlung der Phantastik …« phantastik-couch.de 

»… ein weitere(r) Baustein am Denkmal für den literarischen Surrealismus …« apl, FAZ

»Leonora Carrington ist eine Entdeckung wert …« Jochen Knoblauch, graswurzelrevolution

»Dieses kleine Buch erweist sich als Schatzkästchen …« Judi Muhawi, Schnüss – Bonner Stadtmagazin

Leseprobe

»Also, passen Sie auf. Sie läuten nach dem Dienstmädchen, und wenn es hereinkommt, stürzen wir uns auf sie und reißen ihr das Gesicht ab. Heute Abend trage ich dann ihr Gesicht anstelle meines eigenen.«
»Das geht doch nicht«, warf ich ein. »Sie wird wahrscheinlich sterben, wenn sie kein Gesicht mehr hat; jemand wird die Leiche finden, und wir landen im Gefängnis.«
Ich bin hungrig genug, um sie aufzufressen«, erwiderte die Hyäne.
»Und die Knochen?«
»Die auch«, sagte sie. »Also abgemacht?«
»Nur wenn Sie versprechen, sie zu töten, bevor sie ihr das Gesicht herunterreißen. Sonst tut ihr das viel zu weh.«
»Na gut, das soll mir egal sein.«

Beklommen läutete ich nach Marie, dem Dienstmädchen. Ich hätte es bestimmt nicht getan, wenn ich nicht so einen Abscheu vor Bällen hätte. Als Marie ins Zimmer trat, drehte ich mich zur Wand, um nichts zu sehen. Ich muss zugeben, dass es sehr schnell ging. Ein kurzer Schrei, und es war vorbei. Während die Hyäne fraß, schaute ich zum Fenster hinaus. Ein paar Minuten später sagte sie:

»Ich kann nicht mehr. Die beiden Füße sind noch übrig, aber wenn Sie einen kleinen Beutel haben, fresse ich den Rest im Laufe des Tages.«
»Im Schrank hängt eine mit Lilien bestickte Tasche. Legen Sie die Taschentücher, die darin sind, beiseite und nehmen Sie sie.«Sie tat, was ich ihr auftrug. Dann sagte sie: »Jetzt drehen Sie sich um und sehen Sie, wie schön ich bin!«
Die Hyäne stand vor dem Spiegel und bewunderte sich mit den Gesichtszügen Maries. Sie hatte sorgsam rings um das Gesicht herum gefressen, so dass gerade so viel übrig blieb, wie sie brauchte.
»Wahrhaftig«, sagte ich, »saubere Arbeit.«
Gegen Abend, als die Hyäne fertig angekleidet war, erklärte sie mir: »Ich fühle mich großartig. Ich habe das Gefühl, dass ich heute Abend viel Erfolg haben werde.«