Dunkle Wolken über Damaskus

Erzählungen

Aus dem Arabischen von Larissa Bender
Mit einem aktuellen Vorwort der Autorin

Deutsche Erstausgabe
geb. mit Schutzumschlag,
128 Seiten

Erschienen November 2014

18,90 

Eine junge, wütende und eindrückliche Stimme aus Syrien.

Dima Wannous erzählt vom Leben der Menschen vor Beginn der syrischen Revolution 2011. Es sind zerstörte und gestörte Persönlichkeiten; unfähig, angepasst, verängstigt, Kriecher, arme Schlucker. Opfer einer alles beherrschenden Diktatur.

Maha, soeben befördert, hat hart um die Position der Redaktionsdirektorin gekämpft: durch umsichtiges Hofieren, vorauseilenden Gehorsam und regierungstreue Meinung. Endlich ist es soweit – doch ihr wird klar, dass der Stuhl einer Direktorin nicht nur erobert, sondern auch verteidigt werden will. Sahar, eine junge, hübsche Frau mit einem kleinen, dicken, haarigen Ehemann, verbringt ihre Tage mit dem Observieren der Nachbarn durch ihr Fenster sowie mit Koranunterricht durch eine Witwe aus der Nachbarschaft, die erstaunliche Handreichungen zu Keuschheit und Prostitution in der Ehe gibt. Samîh ist Taxifahrer in Damaskus, der sein Auto liebt und in den langen Staus seine Fahrgäste mit den seltsamsten Fragen löchert.

In neun ausdrucksstarken Erzählungen lässt die Autorin die syrische Zivilgesellschaft auferstehen. Beeindruckend klarsichtig hat sie schon 2007 die Möglichkeit einer Revolution in Syrien vorausgesehen. Für die deutsche Ausgabe des Buches hat sie ein aktuelles Vorwort geschrieben.

Buchinfos

Gebunden mit Schutzumschlag, 128 Seiten

Autorin

Dima Wannous © Richard Sammour

Dima Wannous © Richard Sammour

Dima Wannous, geboren 1982 in Damaskus, studierte Französische Literatur an der Universität Damaskus und an der Sorbonne in Paris sowie Übersetzungswissenschaften in Lyon. Seit 2003 schreibt Wannous regelmäßig für arabischsprachige Tageszeitungen. Von 2012 bis 2014 arbeitete sie für die libanesische Online-Zeitschrift »Al-Modon«.

Leseprobe

»Braucht der Tod jetzt wirklich schon eine Genehmigung?« Samîh sagte diesen Satz so voller Ironie, dass selbst er von seinen theatralischen Fähigkeiten überrascht war.

Endlich machte Samîh einen Mann aus, der ihm von weitem zuwinkte. Mitte vierzig. Mit einem von Kummer gezeichneten Gesicht, das von vorzeitigem Altern kundete. Er trug eine fahle, alte, Flicken übersäte Jacke. Seine an den Beinen zerrissene Hose, die um die Hüften zu weit war, wölbte sich an den Knien. Die verstaubten Schuhe klafften vorne weit auseinander, als würden sie sich über ihr eigenes Ende lustig machen. Der Mann setzte sich neben Samîh und bat ihn, nach Harasta zu fahren.

Argwöhnisch blickte Samîh zu dem Mann hinüber:
»Sie arbeiten anscheinend hier in der Nähe als Beamter und haben sich früh aus dem Staub gemacht, weil Sie erschöpft und niedergeschlagen sind?«
»Nein.«
»Dann wohnen Sie sicher in der Nähe, und ihre Arbeitsstelle ist in Harasta, aber Sie haben sich verspätet, weil Sie erschöpft und niedergeschlagen sind?«
»Nein.«
»Was ist denn dann los? Warum tragen Sie die Sorgen der ganzen Welt auf Ihren Schultern?«
»Meine Mutter ist gestern gestorben. Ich bin hierher gekommen, um eine Sterbegenehmigung zu erhalten, damit wir morgen früh für ihre Seele beten und sie beerdigen können.«
»Braucht der Tod jetzt wirklich schon eine Genehmigung?« Samîh sagte diesen Satz so voller Ironie, dass selbst er von seinen theatralischen Fähigkeiten überrascht war. Dann setzte er das Gespräch, ganz von sich eingenommen, fort: »Also ich persönlich kann nicht mehr begreifen, was in diesem Land eigentlich vor sich geht. Wenn man lebt, braucht man eine Genehmigung, und wenn man stirbt, auch; wenn man heiratet und wenn man sich trennt; wenn man Kinder kriegt und wenn man abtreibt; wenn man etwas verkauft oder kauft; wenn man einen Job findet und wenn man entlassen wird. Unglaublich! Das ist doch nicht mehr zum Aushalten.«