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Rotes Notizbuch

Aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Schneider

Deutsche Erstausgabe
Gebunden, 224 Seiten

ISBN 978-3-89401-394-3

9,90 

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Eine junge Britin australischer Herkunft und ihr kubanischer Lebensgefährte begeben sich nach Spanien, kurz nach Beginn des Kampfes gegen den faschistischen Putsch der Franco-Truppen 1936. Sie schildern uns das Alltagsleben der Revolution, die ansteckende Lebensfreude der Menschen, die fest daran glaubten, daß es möglich ist, die Welt zu verändern und ein Leben ohne Armee und ohne Grenzen zu gestalten. Das Notizbuch ist Vorlage für Ken Loachs Spielfilm »Land und Freiheit«.

Mary Low ist 24 Jahre alt und sie hat schon viel von der Welt gesehen, als sie mit Juan Bréa nach Barcelona geht: sie ist mit ihm nach Kuba gereist, nach Prag, Wien, Belgrad, Istanbul, Bukarest, London und immer wieder nach Paris, wo die beiden sich kennengelernt haben. Sie verkehren, wo immer sie auch sind, in den Kreisen der Surrealisten und linker Oppositionsgruppen. In Spanien kämpfte Juan Bréa in einer der internationalen Milizen an der Aragonien-Front gegen die Franco-Truppen, während Mary Low als Journalistin in Barcelona arbeitete.
Ihre Augenzeugenberichte sind direkt und farbig, voller Details und Enthusiasmus. Wer Ken Loachs eindringlichen Film »Land und Freiheit« kennt, wird in ihnen die Filmhelden David und Clara wiedererkennen. Viele der Filmszenen sind von diesen poetischen und hellsichtigen Reportagen inspiriert.

»Mehrere Monate lang glaubten große Massen daran, daß alle Menschen gleich sind, und konnten diesem Glauben gemäß handeln. Das Ergebnis war ein Gefühl von Freiheit und Hoffnung, das in unserer auf dem Geld beruhenden Gesellschaft schwer vorstellbar ist. Und das ist das bedeutende am Roten Notizbuch. Durch eine Reihe von intimen Alltagsbildern zeigt dieses Buch, wie die Menschen sind, wenn sie sich wie menschliche Wesen benehmen und nicht wie Rädchen in der kapitalistischen Maschine. Niemand, der in diesen Monaten in Spanien war, als die Leute noch an die Revolution glaubten, kann diese seltsame und bewegende Erfahrung vergessen. Sie hat etwas hinterlassen, was keine Diktatur, auch nicht die von Franco, je wird auslöschen können.«
George Orwell

Buchinfos

Deutsche Erstausgabe Gebunden, 224 Seiten

Autorinnen

Mary Low und Juan Brea

Mary Low und Juan Brea

Mary Low (geb. 1912), Britin australischer Herkunft, Surrealistin und Trotzkistin, Weltreisende, Latinistin. Lebte von 1940 bis 1964 auf Kuba und heute noch in Miami. Weitere Veröffentlichungen: La saisons des flûtes (Gedichte, 1939), La Verdad Contemporanea (Essays, zusammen mit Bréa 1943), Tres Voces (1957), Where the Wolf sings (1994) u.a.

Juan Ramón Bréa (1905-1941), Kubaner französischer Herkunft, Surrealist, in Opposition zum Diktator Machado, im politischen Exil in Mexiko und Spanien. 1932 Mitbegründer der kommunistischen Opposition auf Kuba, erneut Flucht nach Europa. 1936 zusammen mit Mary Low in Spanien. 1937 Erstveröffentlichung des Red Spanish Notebook in London. 1938-1939 mit Low in Prag bei den Surrealisten, 1940 Flucht vor den Nazis nach Havanna.

Leseprobe

»Niemand, der in diesen Monaten in Spanien war … kann diese seltsame und bewegende Erfahrung vergessen.« George Orwell

Vehement versuchte ich, Margaret Zimbal (»Putz«) davon zu überzeugen, statt mit den Milizen mit einer Ambulanz zur Front zu fahren. Sie war doch viel zu jung und schön, um zu sterben. In einem Kordoverall, ein rotes Taschentuch um den Hals gebunden, saß sie rittlings auf einem Stuhl und lachte.
»Was hältst du von meinem Vorschlag?« fragte ich, nachdem ich mit meinen Argumenten am Ende war.
Sie lachte und zwickte mich in die Nase.
»Ich glaube, du hörst dich gerne reden«, antwortete sie.
Ich weiß noch, wie ich sie das erste Mal gesehen habe. Es war vor langer Zeit, an dem Abend, an dem die Männer nach der gescheiterten Einnahme von Mallorca zurück gekehrt waren. Es war der erste Fehlschlag, und ich erinnere mich, dass es im Parteilokal ganz still war, und die Leute traurig da saßen und flüsterten. Putz hatte ihren Geliebten verloren, einen jungen Deutschen, der in Porto Cristo niedergemetzelt worden war. Sie kam langsam die Treppe herauf, auf der Schulter mehr als nur die Last des Gewehres.
Wir bildeten einen Kreis um sie, während sie uns in einem knappem Spanisch mit singendem Akzent von der Einnahme von Porto Cristo berichtete. Sie hatten zu wenig Wachen zurückgelassen, während sie mit den Schiffen von der anderen Seite her angreifen wollten. Die Faschisten hatten sich auf die Verteidiger gestürzt und sie massakriert.
»Ja«, sagte sie, »er ist tot.« Sie steckte ein paar Haare zurück, die sich aus ihrem Dutt gelöst hatten. »Ich werde mich so bald wie möglich an einen anderen Frontabschnitt begeben, was sonst?«

Sie lag auf dem Boden, herrlich jung und nackt, die blonden Locken über dem Kopfkissen ausgebreitet. Sie zeigte mir ein kleines Skizzenbuch, in dem sie all ihre Eindrücke von einer zweijährigen Tour durch Spanien festgehalten hatte, die sie mit ihrem Freund unternommen hatte.
»Er hat immer Gitarre gespielt«, sagte sie, »und wir haben gesungen. Eine andere Einnahmequelle hatten wir nicht. Wir sind von zuhause weggelaufen, weil unsere Eltern Faschisten waren und wollten, dass wir so werden wie sie. Wir haben unter Bäumen geschlafen. Es hat Spaß gemacht.«
Sie war braun gebrannt.
In ihrem Buch waren auch einige Bilder von fetten Deutschen, die den Winter im Ausland verbrachten und denen sie begegnet war. Sie hatten picklige Gesichter und feiste Hälse. Darunter hatte sie geschrieben: »Vier Arier«. Hin und wieder war sie von ihnen angesprochen worden, und sie hatten sich schockiert gezeigt, dass Deutsche auf der Straße singen mußten. Eine Frau wollte die Fahrtkosten übernehmen, wenn sie nur nach Hause fahren und ein anständiges Mädchen werden würde. Putz war damals neunzehn. Ihr Vater war Professor an der Universität Düsseldorf. Anmutig schaute sie die Dame an und sagte: »Ich bin Jüdin.« Die Frau gab ihr zehn Centimes und ging hastig ihrer Wege.