Raoul Vaneigem hat ein leidenschaftliches Plädoyer gegen die Zerstörung der Individualität verfasst. Er tritt vehement für die Kostenlosigkeit und das individuelle Erleben ein, kritisiert die tyrannische Macht der Lohnarbeit und die Gier der Raubökonomie.
Zwischen der Trauer um die Welt und der Lust am Leben ist auch eine Art Autobiografie. Vaneigem schildert seine Kindheit in Belgien, im proletarischen Milieu seiner Eltern, und die fünfziger und sechziger Jahre, die in die großen Umwälzungen der gesamten Lebensweisen mündeten.
Neuere Schriften wie Der kommende Aufstand des Unsichtbaren Komitees sind von Vaneigems Schriften deutlich beeinflusst, in der Radikalität der Kritik wie in den literarischen und geschichtlichen Bezügen. Es ist ein präziser wie auch schillernder Stil, voller Anspielungen und Entwendungen.
Autor
Raoul Vaneigem, geb. 1934 in Lessines (Belgien), studierte 1952-1956 an der Freien Universität Brüssel. 1961-1970 Mitglied der Situationistischen Internationale, gilt neben Guy Debord und Asger Jorn als ihr einflussreichster Theoretiker. Veröffentlichte 1967 Traité de savoir-vivre à l’usage des jeunes générations (dt. Erstausgabe 1972), 1979 Le Livre des plaisirs (Buch der Lüste, 1984), 1990 Adresse aux vivants sur la mort que les gouverne et l’opportunité de s’en défaire (An die Lebenden, 1998) und ca. 15 weitere Werke (2008 erscheint seine Autobiografie bei Gallimard). Lebt als freier Autor in Belgien.
»Eine Welt von Genüssen ist zu gewinnen. Wir haben dabei nichts zu verlieren als die Langeweile!«
Raoul Vaneigem
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Schneller, schneller! Der Markt täuscht sich nicht. Zur Stunde, da die Ökonomie zerfällt und die Erde verwüstet, da die Geldblase zu platzen droht, verkauft er hastig seine letzten konsumierbaren Freuden und gibt Rabatt auf die tiefgekühlten Glückseligkeiten, deren Verfallsdatum überschritten ist. Keine Epoche hat Verzweiflung und Ressentiment derart verharmlost. Keine hat den Lebensgewohnheiten so viel Bitterkeit und den Herzen so viel Gift eingeflößt.
In unseren existenziellen Ungewissheiten beschreiben Todestrieb und Lebensinstinkt eine Demarkationslinie, ähnlich dem Niemandsland zwischen verfeindeten Ländern. Es ist eine Zone unbestimmter Offenheit. Dort entscheidet sich in erster und letzter Instanz der Konflikt, in dem jeder das, was ihn tötet, von dem unterscheidet, was ihn stärkt. Du willst für das Menschliche und seine Freiheiten eintreten? Dann finde zunächst deinen Schwerpunkt, denn auf dem Drahtseil, das über unsere Abgründe gespannt ist, ist die dünne Balancierstange des Lebenswillens unsere einzige Sicherheit.
Und wer noch mehr lesen möchte

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