Die Frau meines Vaters

Erinnerungen an Ulrike Meinhof

Broschierte Neuausgabe der Erstausgabe von 2013
160 Seiten

Erschienen November 2021

18,00 

›Kind sein heißt allein sein, schuld sein, essen müssen, schlafen müssen, brav sein müssen. Kind sein heißt, sich nicht wehren zu können.‹

So erlebt Anja Röhl ihre Jugend in den 1950er und 60er Jahren. Im Arbeiterviertel Hamburg-Barmbek herrscht die Dumpfheit der Nachkriegszeit. Die Mutter, als geschiedene Alleinerziehende geächtet, ist erst spätabends zu Hause; der Vater, übergriffig und manipulierend, aber von der linken Schickeria hofiert, kommt nur unzuverlässig; die Altnazi-Großeltern bieten bei kurzen Besuchen noch die meiste Wärme. Doch als sie fünf Jahre alt ist, stellt ihr ihr Vater, der Konkret-Verleger Klaus Rainer Röhl, seine neue Freundin vor: Ulrike Meinhof. Für das Kind ist sie die einzige Erwachsene, die es wirklich versteht, die für es gegen den Vater Partei ergreift, bei der es keine Angst haben muss vor Strafe und bei der es sich zugehörig fühlt. Die Dankbarkeit für diese Erfahrung prägt auch die Beziehung zu Ulrike Meinhof nach deren Trennung von Mann und Kindern. Anja Röhl bleibt ihr verbunden, besucht sie im Gefängnis, schreibt ihr Briefe, allen Anfeindungen zum Trotz und obwohl sie Ulrikes politische Positionen nicht teilt. Ein Dokument der Zeit- und Mentalitätsgeschichte der frühen Bundesrepublik, aus der Perspektive eines Mädchens erzählt.

Buchinfos

Broschur, 160 Seiten

Autorin

Anja Roehl © Jutta Ditfurth

Anja Roehl © Jutta Ditfurth

Anja Röhl, geboren 1955 in Hamburg, Tochter aus erster Ehe von Klaus Rainer Röhl. Erster Beruf: examinierte Krankenschwester, später Studium: Germanistik, Psychologie, Sonderpädagogik und Kunst. Arbeit als freie Dozentin und Theaterrezensentin für die junge Welt und Ossietzky, zahlreiche Veröffentlichungen. Zuletzt erschienen 2021 die Bücher Das Elend der Verschickungskinder und Heimweh – Verschickungskinder erzählen (Psychosozial Verlag).

Veranstaltungen

Rietz-Neuendorf (Brandenburg)
Samstag, 06. Mai, 19 Uhr

Lesung
Veranstaltungsort: Ateliergalerie Nix & Petersen, Pfaffendorfer Chaussee 13
Im Rahmen der offenen Ateliers in Brandenburg

Leseprobe

So was hat es noch nie erlebt, dass eine so spricht. Ulrike, denkt das Kind, was die für Sachen sagt!

Nach einem Papi-Tag steigt das Mädchen aus dem Auto ihres Vaters. Da hält er sie noch mal zurück: »Übrigens, Anja! Ulrike und ich werden uns trennen.«
Das Mädchen starrt den Vater an. Der sagt, scheinbar lustig: »Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.« Das Mädchen versteht nicht. Was passiert nun mit den Kindern? Und Ulrike? Ich werde sie nie wiedersehen, denkt das Mädchen, während sie auf die Blinklichter des Armaturenbretts starrt …

Später besucht sie den Vater in dem Haus in Blankenese, das nun fast leer ist. Die Teppiche sind weg, man sieht den Holzfußboden. Der Vater grölt im Keller und trinkt und schießt mit dem Kleinkalibergewehr, endlich dürfe er das, das sei doch erfreulich, sagt er. Er prostet anderen Männern, Freunden aus seiner Firma, mit Whisky zu. Es ist laut. Das Mädchen hört den Lärm bis in die kahlen und verlassenen Zimmer.
Einzig im Arbeitszimmer des Vaters stehen noch alle Möbel, dort liegen all die Mädchenbilder für seine Zeitung herum, die sie immer schon ansehen musste. Nun hasst sie das alles noch viel mehr. Ihr Vater ist daran schuld, er hat ihr das Liebste genommen, was sie hatte: für eine kurze Zeit die Illusion einer Familie.
Eine Familie, die ein wenig, nur durch die Bande des gemeinsamen Vaters, mit ihr verbunden war. Hier hatte sie sich eingebracht und war nützlich gewesen, hier war sie wiedergeliebt worden. Sie hatte in Ulrike einen Menschen kennengelernt, der sie verstanden hatte, wie sich das Mädchen nie zuvor von jemandem verstanden gefühlt hatte.

Wer noch mehr lesen möchte, findet hier eine längere Leseprobe:

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Leseprobe

Pressestimmen

»Ein beklemmendes Bild der geistigen Enge der frühen Bundesrepublik.«
Neues Deutschland

»Eine herausfordernde, oft geradezu körperlich schmerzhafte Lektüre.«
Frank Kaspar, WDR Gutenbergs Welt 

»… ein leiser, zurückhaltender Text.“
Jörg Magenau, Deutschlandradio Kultur

Downloads

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Anja_Röhl_©_Jutta_Ditfurth

Anja Röhl Die Frau meines Vaters

CC_Röhl_©_Maja_ Bechert

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