Frank Witzels rasanter Roman erzählt aus dem Leben ganz unterschiedlicher Menschen während eines langen Wochenendes; wie es war, wie es ist, wie es hätte sein können: die Geschichte des Gymnasiallehrers Hugo Rhäs oder der Professorin für Gender Studies Sabine Rikke; die der alternden Schlagersänger Tamara Tajenka und Bodo Silber; des Gratful-Dead-Fans Abbie Kofflager oder des Psychiaters Rubinblad und anderer in Deutschland, den USA und Kenia. Begegnen sie sich zufällig oder ist doch alles vom CIA arrangiert? Sind Paranoia und »Lethephobie« gerechtfertigt, wird Wirklichkeit konstruiert oder suggeriert? Ein ebenso intelligenter wie satirisch-komischer Roman, der den Leser den Boden unter den Füßen verlieren läßt.
Bluemoon Baby
Roman
Originalveröffentlichung
Gebunden, 320 Seiten
ISBN 978-3-89401-376-9
20,80 €
Titel im Buchhandel vergriffen. Restexemplare beim Verlag erhältlich (Büchersendung, ca. 5 Werktage per Post).
Buchinfos | Originalveröffentlichung Gebunden, 320 Seiten |
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Autor
Frank Witzel, geboren 1955 in Wiesbaden, lebt als Schriftsteller, Musiker und Illustrator in Offenbach. Bei Edition Nautilus sind von ihm erschienen: Stille Tage in Cliché. Gedichte (1978), Tage ohne Ende. Poem (1980), Bluemoon Baby. Roman (2001), Revolution und Heimarbeit. Roman (2003); außerdem zusammen mit Thomas Meinecke und Klaus Walter die Gesprächbände Plattenspieler (2005) und Die Bundesrepublik Deutschland (2009).
Für den Roman Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 (Matthes & Seitz 2015) wurde er mit dem Deutschen Buchpreis 2015 ausgezeichnet.
Pressestimmen
»Müßig zu fragen, in welchem Rausch Frank Witzel war, als er ›Bluemoon Baby‹ schrieb. Nur was für Schwindelfreie!« faz.net
»Es ist unglaublich, wie viele real existierende und fiktive Theorien Witzel in seinen Roman eingebaut hat, ohne ihn im geringsten zu beschweren. Genauso unglaublich ist es, dass es dem Autor gelingt, eine hanebüchene Verschwörungstheorie mit Fakten zu untermauern und ein wirres Netz von bizarren Intrigen und erzwungenen Zufällen zu einem spannenden und in letzter Konsequenz verblüffend geradlinigen und gleichzeitig dekonstruktivistischen Thriller zu verweben.«
die tagezeitung
»Die alte Vettel Paranoia verkuppelt bekanntlich alles mit allem, so dass entlegenste Ereignisse zusammenwachsen. Deshalb ist sie nicht nur als Krankheit so erfolgreich, sondern auch als Erzählgerüst. In dieser großen Tradition bewegt sich Frank Witzels Roman ,Bluemoon Baby’, der die beiden Stoffkreise moderner Kontrollphantasien, Geheimdienst und Wahnsinn zu einer bizarren Geschichte mischt. (…) ,Bluemoon Baby’ ist ein ebenso intelligenter wie übergeschnappter Roman, der nebenbei auch noch die oft verleugnete ,Anwendbarkeit’ hochphilosophischer Theorien beweist – auf die richtige Kuppelstrategie kommt es eben an. Womit man wieder bei der Paranoia gelandet wäre.«
Jutta Person, Süddeutsche Zeitung
»… eigentliches Thema des Autors scheint nicht so sehr die sprachliche Ebene. Und die der Handlung zumindest nicht im Sinne von Stringenz. Sondern eher unter dekonstruierenden Vorzeichen. Auf die Spitze getrieben ist das in der oft gelungenen Verbindung aus purer Fiktion und guter Recherche. Oft genug sind die Anlehnungen an die Wirklichkeit der späten 90er Jahre im letzten Jahrhundert kaum kaschiert. Umso leichter fällt es Witzel, in dieser nur schlecht getarnten Wirklichkeit völlig absurde Erfindungen unterzubringen. (…) Am Ende ist der Leser in einem Strudel gefangen, in dem ihm nahezu alles möglich erscheint.«
Martin Brust, junge Welt
Leseprobe
»… während Gisela Helfrich in den tiefen Schlaf eines erlösenden Komas fiel, hörte sie, wie das ferne Rauschen einer etwas aus der Verankerung geratenen Welt, die ersten Zeilen von “Bluemoon Baby” …«
In einer Stadt in Mittelhessen steht eine dreiundvierzig Jahre alte Professorin für Frauenstudien fertig zum Ausgehen und mit dem Schlüssel in der Hand vor dem laufenden Fernsehgerät. Sie möchte zu einer Vernissage in die Mittelseestraße. In einem ehemaligen Buchladen, der jetzt einem Schmuckmacherkollektiv gehört, wird Perlenschmuck gezeigt. Es gibt Borschtsch zu essen und italienischen Landwein zu trinken. Die Broschen liegen in mit Sand gefüllten Blecheimern und werden mit kleinen Strahlern angeleuchtet. Die Ringe hängen an langen Zimmermannsnägeln, die man in die unverputzt belassenen Dachbalken geschlagen hat, und die Ketten sind um Stamm und Ast einer großen Yukka geflochten.
Die Professorin ist gerade noch von dem Beitrag des politischen Magazins eines öffentlich-rechtlichen Senders fasziniert. Nicht weit entfernt von Polar im Bundesstaat Wisconsin wird zur Stunde ein ohne Knochen geborener Siebzehnjähriger in einen Schacht gelassen, um mit Hilfe einer an seinem Kopf befestigten hochsensiblen Infrarotkamera, die ihre Bilder wahlweise in Bombenangriffsgrün oder Nachtüberwachungsblau liefert, herauszufinden, ob es über die Kanalisation einen Zugang zu dem Hauptquartier einer gefährlichen Sekte geben kann. Die Sekte nennt sich, so erfährt man nicht nur durch die Sprecherin, sondern auch buchstäblich auf einer vorbereiteten Tafel übersetzt »Die wahren Zeugen von Armagehdon«. Professorin Rikke lacht auf, denn man hat in der Fernsehstation das Wort »Armageddon« falsch geschrieben.
In der Eile der sich überstürzenden Ereignisse läßt sich nicht jedes Detail recherchieren. So beantwortet das grobgerastert eingeblendete Foto von Douglas Douglas Jr., dem jungen Mann ohne Knochen, auch nur sehr unzureichend die Frage, was »ohne Knochen« genau bedeutet. Eine Art Schädel scheint er jedenfalls zu besitzen, auch wenn er vielleicht etwas schmal erscheinen mag. Professorin Rikke schaltet auf Teletext.
Als sie den Schmuckladen betritt, ist gerade die neue Lebensgefährtin des grünen Außenministers im Mittelpunkt des Interesses. Professorin Rikke dreht sich einmal unauffällig im Kreis, um zu sehen, ob der Außenminister selbst auch anwesend ist. Sie kennt ihn noch aus der Zeit, als er das alternative Kino der Stadt in einem Kollektiv organisierte. Eigentlich müßte er schon an den in seiner Nähe herumstehenden Bodyguards zu erkennen sein. Aber wer einmal neben Madeleine Albright im Palais Schaumburg Hammelnüßchen Braganza zu sich genommen hat, wird wohl kaum nach Feierabend in der Mittelseestraße im Stehen einen Teller Borschtsch löffeln.
Professorin Rikke kennt die Lebensgefährtin bisher nur aus der Zeitung. Sie ist knapp über dreißig und war Volontärin beim Fernsehen. Es heißt, sie sei schwanger. Obwohl sich die beiden erst seit einem Vierteljahr kennen. Anders hat sie ihn wohl nicht binden können. Ein Lachen geht durch den Kreis, der die Lebensgefährtin umringt. Sie hält sich gerade zwei lange, fast unsichtbare Schnüre an die Ohrläppchen, um zu sehen, wie ihr dieses Ensemble steht. Ungefähr in Höhe ihres Busens schweben zwei glitzernde Perlen als symbolische Brustwarzen über ihrem bauchfreien Oberteil. Es wird genickt. Besonders von den Vertretern des Schmuckkollektivs. Aber sie legt das Ohrgehänge wieder zurück über den Stahlnagel, von dem sie es heruntergenommen hat, und bückt sich über einen der Blecheimer, wobei sie ihren prallen Hintern in den Schein eines Spots schiebt.
Professorin Rikke dreht sich um. Ein befreundeter Künstler aus dem städtischen Kunstverein betritt gerade mit einem nach frischer Ölfarbe riechenden und in eine alte Decke eingeschlagenes Rechteck unter dem Arm den Laden. Vielleicht würde sie mit ihm über die mythologischen Implikationen dieses Falls in Wisconsin reden können.
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