»Niemand kennt die Regeln. Man weiß lediglich: der Typus, der hier tätig ist, vereitelt nicht nur seinen Erfolg, er vereitelt auch seinen Ruhm. Keine Nachfolge. Keine Schule. Keine Wiederkehr. Die Übereinkünfte gebrochen, die Erwartungen enttäuscht, die Beweggründe im Dunkeln. Ein Leben im Verschwinden.«
So beginnt Fritz Mierau, Slawist, Literaturwissenschaftler und Franz Jung-Forscher, seinen Essay. Der Autor geht dem Geheimnis nach, aus dem sich das bewegende Lebensmotiv von Jung zusammensetzt. So stehen im Mittelpunkt dieser brillanten Untersuchung nicht die äußeren Fakten, wie sie von den Ereignissen hervorgebracht werden, sondern die innere, die geistige Konstitution, aus der heraus sich Franz Jungs Lebensweg als exemplarisch verstehen läßt. Die Dramatik wird umgekehrt. Das Abenteuerliche und Hochstaplerische der Person Jung wird nicht ausgeschmückt, die bewegenden intellektuellen Motive dagegen freigelegt.
Fritz Mierau zeigt, welche Rolle Expressionismus, Dada, Spartakus, Psychoanalyse und Ökonomie spielen, wie die literarische und politische Existenz, deren gegensätzliche Identitäten – Börsenjobber, Deserteur, Schiffsräuber und Fabrikleiter in Rußland – in der Person Jung zusammenwirkten. Eine äußerst spannende Frage, bietet Jung sich nicht nur als prototypische Figur des 20. Jahrhunderts an, sondern auch als deren Gegenbild.
Eine sensible und kundige Biographie über eine der schillerndsten Figuren der Literaturgeschichte.
Das Verschwinden von Franz Jung
Stationen einer Biographie
Originalveröffentlichung
Gebunden mit Schutzumschlag, 336 Seiten
Erschienen 1998
29,80 €
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Buchinfos | Originalveröffentlichung Gebunden mit Schutzumschlag, 336 Seiten |
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Autor
Fritz Mierau, geboren 1934 in Breslau, gestorben 2018 in Berlin, war Literaturwissenschaftler, Übersetzer und Essayist. Übersetzung und Herausgabe russischer Literatur – von Autoren wie Tretjakow, Majakowski, Mandelstam und Achmatowa – und geistesgeschichtlicher Werke wie »Russen in Berlin« und »Die Erweckung des Wortes«. Zusammen mit Sieglinde Mierau Mitherausgeber der Franz-Jung-Werkausgabe sowie Autor der Biografie »Das Verschwinden von Franz Jung«. 2002 erschien Fritz Mieraus Autobiografie »Mein russisches Jahrhundert«.
Für seine Verdienste wurde Mierau 1988 mit dem Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste der DDR, 1991 mit dem Literaturpreis zur deutsch-sowjetischen Verständigung, 1992 mit der Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung Weimar, 1996 mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung und 1999 mit dem Karl-Otten-Preis des Deutschen Literaturarchivs Marbach ausgezeichnet.
Pressestimmen
Seine eigentliche Biographie ist noch nicht geschrieben. Sie würde Recherchen in Staaten erfordern, die diesen Radikalen ausgewiesen haben (…) und in Ländern, in denen dieser deutsche Dichter jahrelang lebte: in Russland, wo er unter Lenin eine Zündholzfabrik aufbaute; in Ungarn, wo er ein riskant zwielichtiges Spiel an den Rändern der Hitler-Opposition überstand; in Italien, wo er nach seiner Befreiung aus einem KZ lebte; in den USA, wohin er 1948 (…) emigrieren konnte. Fritz Mierau ist es auf bewundernswerte Weise gelungen, die Erinnerungen an Franz Jung (1888-1964) aus dessen selbstbewirkten Abbrüchen zu retten, oft gegen die Pessimismen in Jungs (epochalen) Erinnerungen ,Der Weg nach unten’. Er hat die Untiefen dieser abenteuerlichsten Existenz unter den deutschen Intellektuellen ausgelotet, vor allem aus den Strömungsmustern eines umfangreichen Werks…
Man kann darauf wetten, dass Franz Jung vergessen wird auf den Top-Listen, in denen derzeit die ohnehin beleuchteten Dampfer auf dem Mainstream unseres Jahrhunderts geführt werden.«
Die Weltwoche
»Ein erstaunliches Projekt ist im letzten Jahr im deutschen Verlagswesen zum Abschluß gekommen. Die Edition Nautilus brachte im Herbst den letzten noch fehlenden Teilband ihrer nun zwölfbändigen Ausgabe der Werke von Franz Jung heraus, ein endlich komplettiertes und mit knapp 6000 Seiten recht schweres Paket, das kurz im Lichtkegel der Neuigkeiten unserer Gegenwart lag.
Ebenfalls zum Abschluß der Werkausgabe erschien bei Nautilus ,Das Verschwinden von Franz Jung’. Die von Fritz Mierau verfaßte Lebensgeschichte ist nicht nur ein guter Schlüssel zu allen Schriften Franz Jungs; sie ist selbst ein dramatisches und spannendes Stück Literatur, ausgezeichnet geschrieben und wie das Leben seiner Hauptfigur ohne Rücksicht auf die Regeln einer Chronik angelegt (…)«
Frankfurter Rundschau
»Eines machen selbst die widersprüchlichsten Aussagen der Zeitgenossen deutlich: von Jung muß eine verführerische Faszination, eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausgegangen sein. Fritz Mierau, einer der Herausgeber der in der Edition Nautilus erschienenen und inzwischen abgeschlossenen Gesamtausgabe, hat nun die Biographie dieses ,Mannes mit vielen Stockwerken’ – so Wieland Herzfelde – geschrieben. Mieraus Buch geht nicht den üblichen Weg, die Stationen seines Helden wie Perlen an einer Schnur aufzureihen. Er stößt tiefer und fragt nach den intellektuellen Motiven, nach den Denkansätzen und Beweggründen. Mierau enthüllt am Beispiel Franz Jungs den Prototypen des jetzt zu Ende gehenden Jahrhunderts: den desillusionierten Revolutionär, der sich von jeder Gemeinschaft abkehrt.«
Die Zeit
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