»Über die Blindgänger war noch nicht entschieden. Die Zünder rosteten. Dies war einmal die Innenstadt von Köln gewesen. Das Leben begann.« Kurz nach dem Krieg stand Gerd Fuchs als Studienanfänger in der zerbombten Großstadt, am Anfang seiner Journalisten- und Schriftstellerkarriere. Jahrzehnte später blickt er zurück und gräbt im Erinnerungsschutt nach Glutnestern. Ob er über seine Zeit in Köln als »möblierter Herr« schreibt, der mit seiner Zimmerwirtin Spekulatius isst, über seine Kindheit im idyllischen Hunsrück, die bald durch Bombergeschwader zerstört wird, oder sich mit seinem nie ganz fassbaren Vater auseinandersetzt, immer legt er den glühenden Kern frei. Zu lesen, wie sich der angehende Autor auf einer Lesung der Gruppe 47 einfindet, ständig mit Günter Grass’ Frau tanzt, ohne zu wissen, mit wem er die Ehre hat, und schließlich auf dem Foltersessel seinen Text vorliest, ist eine Bereicherung der Literaturgeschichtsschreibung. Und so entsteht aus Momentaufnahmen und Reflexionen eine Autobiografie in Schlaglichtern.
Heimwege
Autobiographie
Originalveröffentlichung
Gebunden mit Schutzumschlag, 256 Seiten
Erschienen Februar 2010
19,90 €
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Buchinfos | Gebunden mit Schutzumschlag, 256 Seiten |
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Autor
Gerd Fuchs, * 14. September 1932 in Nonnweiler/Saar, † 13. April 2016 in Hamburg. Ab 1964 war er journalistisch tätig, zunächst als Feuilleton-Redakteur bei der Welt, ab 1967 als Kultur-Redakteur beim Spiegel und später als freier Mitarbeiter bei der konkret. Seit 1968 arbeitete er als freiberuflicher Schriftsteller und Lektor. Er war Mitglied des deutschen PEN und veröffentlichte zahlreiche Romane. Gerd Fuchs wurde u.a. mit dem Förderpreis des Lessing-Preises, dem Kunstpreis der Stadt Saarbrücken und dem Italo-Svevo-Preis ausgezeichnet.
»Fuchs wählt für seine Prosa stets einen gesellschaftlichen Ausschnitt, in dem Menschen in Bewegung, in Verunsicherung, auf der Suche sind.« Uwe Naumann
Pressestimmen
»Gerd Fuchs’ autobiografische ‚Heimwege’ führen in kurzen Episoden zurück den dem Menschen, der der Autor und Journalist einmal war: von der krisengeschüttelten Kindheit im Hunsrück über die Studienjahre in möblierten Kölner Studentenzimmern bis hin zum Ende der Gruppe 47, das er als junger Schriftsteller miterlebt. Persönlich und mit großer Aufmerksamkeit für Details beschreibt der 1932 Geborene darin die überraschenden Selbstverständlichkeiten vergangener Dekaden. (…) Bilder fügen sich zu Szenen, zu Episoden, zu kleinen Filmausschnitten – allerdings durchaus nicht in Schwarzweiß, wie die Filme der Zeit, sondern in brillanter Farbigkeit und hoher Auflösung. (…) Die Tiefenschärfe der fragmentarischen, aber gerade deshalb umso stärker funkelnden Jugenderinnerungen weicht mit voranschreitendem Lebensalter essayistischeren Episoden: Das rein Persönliche wird immer häufiger verwoben mit Reflexionen über Geschichte und Zeitgeschehen.«
Kathleen Hildebrandt, Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Es ist sein erstes autobiografisches Buch, und Fuchs ist dabei bedächtig, uneitel und stilbewusst durch die Geschichten seines Lebens gewandert. Manche dieser Geschichten sind ganz unspektakulär, andere herzergreifend, wieder andere erschütternd, bewusst politisch-fremdartig-surreal, und alle reich an Bildern. (…) In diesem Buch hat Fuchs die ganze Palette seiner erzählerischen Kunst ausgebreitet und zum Strahlen gebrach. (…) Obwohl Gerd Fuchs einzelne Geschichten geschrieben hat, deren Personen kaum woanders wiederkehren, liegt deren innerer Zusammenhang in der Sucht des Ich-Erzählers auf die Welt, der Erkenntnis, dass die Katastrophen, der Humor und die Erfüllung der Sehnsucht nach Schönheit zusammengehören, und dass es deshalb so etwas wie Heilung und inneren Frieden geben kann.«
Katja Engler, Welt am Sonntag
»…eine Mischung aus gut geerdeter Absurdität und leicht gespenstischer Tragikomik. (…) Weil Fuchs seine scheinbar ganz persönlichen Erinnerungen mit sicherem Gespür fürs Wesentliche zuspitzt, entsteht aus diesem Anekdoten-Kaleidoskop wie nebenbei eine kleine, aber ungeheuer erhellende Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Mauerfall. (…) Dem Autor gelingt hier fast die Begründung einer neuen literarischen Gattung, die man als ‚autobiografisches Feuilleton’ bezeichnen könnte, weil in ihr Betrachtung und Erzählung auf ebenso leichtfüßige wie abgründige Weise ineinander fließen, so dass man sich gelegentlich an Altenberg oder Polgar erinnert fühlt.«
Alexander Altmann, Lesart
»Nein, er ist keiner von denen, deren Namen die Literaturkritik ständig durchs Feuilleton treibt, keiner, der die Preise serienweise abgeräumt hat. Er ist einer der Stillen im Lande geblieben (…). Fuchs’ poetologisches Credo, das er über die Jahrzehnte hinweg nicht aufgegeben hat, atmet den humanistischen Geist eines Heinrich Böll aus der Frühzeit der Republik, als Böll nicht nur ein Bekenntnis zur Poetik der Waschküchen und kleinen Leute ablegte, sondern auch von der Erinnerungsarbeit der Schriftsteller sprach. Da ist auch der Aufklärer Lessing nicht fern. (…) mit Heimwege legt Fuchs nun einen Text vor, der ohne Untertitel auskommt und als autobiographische Prosa umschrieben werden kann. Darin erzählt der Autor Eposoden aus seinem Leben, die zwar insgesamt chronologisch angeordnet sind, jedoch wohltuend auf eine Teleologie und den Anspruch auf Vollständigkeit verzichten.«
Werner Jung, konkret, (Buch des Monats)
»Das Besondere dieser Momentaufnahmen ist die schwebende, in Lyrismen schwingende Sprache von Gerd Fuchs, der, ganz alltäglichen Begebenheiten mit ironischer Distanziertheit begegnend, Poesie und Genauigkeit zu verbinden versteht. Ein sprachlich herausragendes, gleichwohl bescheidenes Buch eines interessanten Lebensweges.«
Almuth Hochmüller, ekz.bibliotheksservice
„Persönliches wird mit Zeitgeschichte zu einer lesenswerten Melange
verquickt.«
Manfred Chobot, Buchkultur, Wien
»Fuchs erzählt in einer Sprache, die ihre Spannung aus ihrer syntaktischen Beweglichkeit gewinnt, durch Kontradiktion, durch Lakonie, auch Ironie, vor allem aber durch dieses Nachdenken, durch die Genauigkeit in der Beschreibung, dieses Staunen über die Menschen.«
Uwe Timm, Laudatio zur Verleihung des Italo-Svevo-Preises an Gerd Fuchs
Leseprobe
»Man sah den Wegen am Abendlicht an, dass es Heimwege waren.« Robert Walser, Der Gehülfe
Alles sprang jetzt auf. Man drängte zum Ausgang, denn von dorther kamen seltsame Laute. Im kalten Aprilwind stand ein Häuflein junger Männer, der Erlangener SDS, wie sich später herausstellte, und sie skandierten im Chor das schlimmste Schimpf wort, das sie sich hatten ausdenken können.
DICHTER! DICHTER! DICHTER!
Doch hatte man am Abend zuvor nicht umsonst zusammen gesessen. Reinhard Lettau verlas hurtig und routiniert eine Erklärung , die den Studenten bereits im Voraus präsentierte, was sie uns möglicher weise mit Gewalt abzupressen gedacht hatten. Darin verpflichtete sich eine Reihe von Autoren, die Springer-Presse zu boykottieren. Sie würde im Saal ausliegen, wo man sich ihr durch Unterschrift anschließen könne. Das taten fast alle und auch ich, und so ging man endlich zum Mittagessen. Es wurde in der Loggia serviert, von wo man einen guten Blick auf die Studenten hatte, die dort unten standen und froren und Bild-Zeitungen verbrannten.
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