Eckermanns Traum

Fünfzehn Szenen aus dem klassischen Weimar

Originalveröffentlichung
Gebunden, 80 Seiten

ISBN 978-3-89401-483-4
Erschienen Februar 2006

14,00 

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In den berühmten Gesprächen Eckermanns mit Goethe läßt sich zwischen den Zeilen, im Verborgenen, eine abgründige Beziehung erkennen, ein zerstörerischer und selbstzerstörerischer Kampf zwischen dem »Olympier« und dem »Lakai«. Gerd Fuchs hat nicht Goethe, sondern Eckermann in den Mittelpunkt seiner Lektüre dieser Gespräche gerückt und ihn in einer surrealen, (alb-)traumhaften Szenenfolge seinerseits porträtiert.

Johann Peter Eckermann macht in den berühmten Gesprächen mit Goethe keine gute Figur: Schon Friedrich Hebbel spottete: »Er kommt mir vor wie Adam, dem Gott der Herr seinen Hauch einbläst.« Doch so einseitig ist das Verhältnis zwischen den beiden nicht: Der gebildete und weltgewandte Goethe mag für den aus ärmsten Verhältnissen stammenden Eckermann wie eine Droge gewirkt haben, doch Eckermanns Abhängigkeit schmeichelte Goethe und er genoss es, sie auszunutzen.

Gerd Fuchs stellt in einer surrealen Szenenfolge dar, wie Eckermann auf seinem Sterbebett über Goethe gedacht und gefühlt haben mag, wie er prägende gemeinsame Momente wieder erlebt. Fuchs spitzt die in den Originalgesprächen nur unterschwellig hervortretende abgründige Beziehung zu und stellt sie in unheimlichen, albtraumhaften Bildern dar – ein zwischenmenschliches Drama, das Walter Benjamins düsteres Wort zu bestätigen scheint: »Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein.«

Buchinfos

Originalveröffentlichung Gebunden, 80 Seiten

Autor

Gerd Fuchs © Detlef Grumbach

Gerd Fuchs © Detlef Grumbach

Gerd Fuchs (* 14. September 1932 in Nonnweiler (Saar), † 13. April 2016 in Hamburg). Ab 1964 war er journalistisch tätig, zunächst als Feuilleton-Redakteur bei der Welt, ab 1967 als Kultur-Redakteur beim Spiegel und später als freier Mitarbeiter bei der konkret. Seit 1968 arbeitete er als freiberuflicher Schriftsteller und Lektor. Er war Mitglied des deutschen PEN und veröffentlichte zahlreiche Romane. Gerd Fuchs wurde u.a. mit dem Förderpreis des Lessing-Preises, dem Kunstpreis der Stadt Saarbrücken und dem Italo-Svevo-Preis ausgezeichnet.

»Fuchs wählt für seine Prosa stets einen gesellschaftlichen Ausschnitt, in dem Menschen in Bewegung, in Verunsicherung, auf der Suche sind.« Uwe Naumann

Pressestimmen

»Gerd Fuchs hat aus den von Eckermann veröffentlichten Gesprächen mit Goethe sein Bild dieser Beziehung freigelegt und in einer kühnen Montage aus dem umfangreichen Material fünfzehn hintergründig-pointierte Szenen entwickelt.«
Detlef Grumbach, Saarländischer Rundfunk

Leseprobe

»Gerd Fuchs ist für mich einer der Autoren, deren Eckerfrau ich gern gewesen wär …« Annemarie Stoltenberg in ihrer Laudatio zu Fuchs’ 60. Geburtstag

GOETHE: Nun, es ist spät. Brechen wir ab für heute Abend. Aber vorher habe ich noch etwas für Sie. Er geht zu einem Schrank und öffnet ihn. Mit einem Löffel an ein Keramiktöpfchen schlagend kehrt er zurück.

Mund auf, Augen zu. Eckermann lacht und schließt die Augen.

Nun, mein Guter, was schmecken Sie?

ECKERMANN: Honig. Er schluckt, reißt aber sofort wieder den Mund auf.

GOETHE: Immer schön Augen zu. Er schlägt mit dem Löffel an das Töpfchen und verabreicht Eckermann eine weitere Portion.

Und – jetzt.

ECKERMANN schluckt schmatzend.

GOETHE klingelt wieder an dem Töpfchen. Er ruft: Nun will ich Ihnen etwas sagen. Nehmen Sie sich in Acht vor einer großen Arbeit. Besonders warne ich vor großen Erfindungen. Lassen Sie vorderhand alles Große zur Seite. Er klingelt heftig mit dem Löffel.

Und jetzt wieder. Er verabreicht Eckermann den Honig wie eine Medizin. Oh, das ging daneben.

ECKERMANN leckt gierig nach den Honigtropfen.

GOETHE: Lehnen Sie alle literarischen Anträge ab, liebes Kind. Werfen Sie sich auf die Natur. Und Englisch müssen Sie auch noch lernen.

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